Das Stück
So ist die Lage: Der despotische Herzog Frederic, der mehr mit seiner Maniküre beschäftigt ist, als mit seiner Charakterbildung, läuft Amok. Zuerst putscht er seinen Bruder vom Thron, welcher sich das Hauspersonal inklusive Koch schnappt und damit im Ardenner Wald lustige alternative Gesellschaftsformen testet. Dann verbannt der Bösewicht alle aus dem Schloss, von denen mit Widerworten zu rechnen ist: Als ersten trifft es den jungen Orlando, der das Unglück hat, einen Kampf gegen Herzog Frederics Lieblingsringer zu gewinnen. Orlando, von Bruder Oliver nur misshandelt und bedroht, flieht mit seinem alten Diener Adam in den nächstgelegenen Wald. Ausser Handgepäck besitzt er nur noch eine hübsche Kette aus Edelmetall. Den Glücksbringer hat ihm eine gewisse Rosalind geschenkt, die ihn ganz schön süss fand aber leider die Nichte vom bösen Herzog ist und ausserdem die beste Freundin von dessen Tochter Celia. Das allerdings nützt der jungen aber etwas vorlauten Rosalind gar nichts, denn als letztes Traktandum vor dem Abendessen verbannt ihr fieser Onkel Frederic auch sie vom Hof. Rosalind ist verzweifelt: Was nun?
Nun ist es Zeit für den ultimativen Freundschaftsbeweis: Celia hat auch genug von ihrem hundsgemeinem Daddy und beschliesst, Rosalind in die Verbannung zu folgen. Gemeinsam hecken die Freundinnen den genialsten Plan aus seit der Erfindung des Joghurts: Celia verwüstet ihr Äusseres, um möglichst unattraktiv auf potentielle Strolche zu wirken und Rosalind beschliesst eine Geschlechtsumwandlung: Sie überfällt den Hoffnarren Touchstone, klaut ihm die Kleider, nennt sich GANYMED und ist fortan ein... MANN! Naja, und Touchstone? Nach erfolglosem Protest schickt er sich in sein Schicksal und lernt den aufrechten Gang auf hohen Absätzen...
Ja, und nach kurzer Wanderschaft trifft also ein Häufchen adeliger Nullchecker bei den Eingeborenen im Ardenner Wald ein, die allerdings den Hochwohlgeborenen an Exzentrik in keiner Weise nachstehen. Es sind dies: Phöbe, die selbsternannte Walddiva, die genussvoll ihren empfindsamen Verehrer Silvius in Grund und Boden höhnt. Ausserdem das Dummerchen Audrey und der wenig klügere William, die eventuellvielleichtmöglicherweise verlobt sind, sowie die Schäferin Corina, die am liebsten ihre Axt schwingt...
Es stellt sich heraus, dass alle irgendwie in alle verliebt sind, doch natürlich vor allem Orlando in Rosalind. Dies äussert sich in einem Anfall von Dichtkunst, der beim kritischen Publikum den Eindruck erweckt, Orlando sei nicht ganz dicht. Rosalind, pardon, Ganymed will Orlando von seiner Liebe kurieren und spielt ihm als Frau einen Mann vor, der vorgibt eine Frau zu sein. Blicken Sie noch durch? Nicht? Dann hoffen wir mal, dass die nächsten zwei Stunden Klarheit bringen.
Die Neufassung
Ähnlich wie Rosalind vorgibt, ein Mann zu sein, der eine Frau spielt, ist dieses Theaterstück ein neuer Text, der aber stellenweise vorgibt, ein "echter Shakespeare" zu sein, welcher wiederum vorgibt, ein neues Stück zu sein. Wie das geht?
Nun, zuerst einmal sollten wir uns die Frage stellen: Was ist ein echter Shakespeare? Philologisch lässt sich diese Frage nicht wirklich beantworten, denn es gibt keine Shakespeare - Manuskripte im Original. Was wir heute lesen und Shakespeare zuordnen, sind auswendig gelernte Texte seiner Schauspieler, gesammelt und herausgegeben von einem fleissigen Lektor nach dem Tod des genialen Dramatikers. Erst einige Jahrhunderte danach begann dann eine eigentliche Shakespeare-Forschung, die versuchte, die Texte möglichst originalgetreu zu rekonstruieren, beziehungsweise durch unzählige Fussnoten kommentierend einem zeitgenössischen Publikum zugänglich zu machen. Der Wiederaufbau des Globe Theatre in London repräsentiert die Sehnsucht, dem "echten" Shakespeare so nah wie möglich zu kommen, meiner Meinung nach sehr eindrücklich...
Die Suche nach einem gültigen Text hat auch zur Folge, dass es unzählige Shakespeare-Übersetzungen gibt: Die fünf prominentesten, wozu natürlich diejenige der Berliner Schaubühne aus der Feder von Peter Stein zählt, habe ich gelesen und musste, so modern auch übersetzt wurde, erkennen, dass sie für das Kollegitheater einfach zu literarisch, historisch und kulturell zu weit weg und sprachlich zu schwierig sind. Da wir angehenden Profis uns bereits an der Schauspielschule die Zähne an Versmass und Subtext ausbissen, wollte ich diese Knochenarbeit weder einem Amateurensemble, noch dessen Publikum zumuten.
Deshalb entschloss ich mich zu einer Neufassung, welche der Handlung der Geschichte treu bleibt, sie aber mit neuen Dialogen und manchmal auch neuen Figuren erzählt. Die etwas verschrobene Logik klassischer Shakespeare-Figuren versuchte ich beizubehalten - so mag der pseudophilosophische Dialog zwischen Touchstone und William etwas shakespearisch anmuten, tatsächlich existiert er im "Original" aber nicht. Andererseits habe ich, um dem Bollywood-Pathos gerecht zu werden, punktuell einige Zeilen "echten" Shakespeare eingebaut und zwar in einer extrablumigen Uralt-Üull †bersetzung. Somit begegnen Sie, wertes Publikum, einem neuen Text, der ab und zu vorgibt, aus Shakespeares Feder zu stammen, und sie hören kurze Textsequenzen, die zwar wirklich Shakespeare sind, allerdings in so antiquierter Sprache, dass sie Ihnen fremd vorkommen mögen.
Wir ziehen das Spiel mit den Identitäten also konsequent durch und präsentieren Ihnen eine Uraufführung, die hoffentlich unterhaltsam ist und vielleicht auch anregt, über unsere Wahrnehmung von literarischen Texten nachzudenken. Nun lehnen Sie sich zurück, lassen Sie sich von einem tollen Ensemble verwirren und geniessen Sie eine Unordnung, die Sie nicht aufräumen müssen!
Mitwirkende
Besetzung
Die Guten
Rosalind - Leonie Kirchgessner
Celia - Alicia Baumann
Touchstone - Hannah Abry
Orlando - Lynn Balli
Adam - Megan Dällenbach
Kohlköpfe - diverse
Die ganz Guten
Der verbannte Herzog - Taisei Nagata
Sein Lieblingsjünger - Sara Buonomo
Weitere Jünger- Alexandra Bretscher,
Alicia Brun, Alexandra Christen,
Cristina Ettlin, Yung Li Hiew, Emma Meissner,
Simone Perner, Tara Riva
Amiens - Christoph Räss
Jacques - Stella Mele
Indische Göttinnen - diverse
Die Bösen
Herzog Frederic - Denise Kraft
Oliver - Rahel Blättler
Le Beau - Alicia Brun
Page - Simone Perner
Ringkämpfer Charles - Emma Meissner
Die bösen Cheerleader - diverse
Die Hinterwäldler
Silvius - Diona Durrer
Phöbe - Corina von Holzen
William - Tara Riva
Audrey - Salome Erdmann
Corina - Emma Meissner
Sgt Seppis Lonely Hearts Club Band
Dirigent Joseph Bachmann
Flöte Sina Käslin, Naomi Mathys
Klarinette Daphne Bösch, Caroline Dick,
Flavia Zimmermann
Saxophon Maria Stalder, Nico Barmettler,
Mathias Besse, Jonas Odermatt
Posaune Marvin Wettstein
Horn Niko Zihlmann
Klavier Vera Filliger
Gitarren Christoph Räss
E-Bass Younes Askri
Schlagzeug Dimitri Rosset, Marco Savignano
Künstlerische Leitung
Text/Regie/Bühnenbild Michela Gösken
Musikalische Leitung Joseph Bachmann
Arrangements Joseph Bachmann,
Rolf Ambauen, Julia Bachmann
Kostüme Brigitte Fries
Lichtdesign Ueli Binggeli
Bühnenbau Fredy Bernasconi
Koordination Bauten Willi Dubach
Bühnenmalerei Maria Stalder
Tanzchoreographie Megan Dällenbach
Grafik/Website/Film Pascal Kappeler
Plakatentwurf Patrick Jann
Trailer
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Fotos von Pascal Kappeler